Ronin

Einst im alten Japan gab es Kämpfer, Krieger ohne Meister… Sie hatten eine spezielle Ausbildung genossen, doch hatten sie im Kampf die Ehre ihres Gegners verletzt, indem sie sie umgebracht haben, anstatt sie nach ihrem Sieg leben zu lassen. So wurden diese Krieger von ihren Meistern vom Hof verbannt und wurden fortan RONIN genannt…
Es gibt Leute, die behaupten, dass noch heute RONIN unter uns weilen…

„Robert und Manuela“, begann Yun Tau, der Leiter und Meister der Karateschule in Washington und fuhr fort, „ihr beide seit die Nächsten. Denkt immer daran: Ihr dürft eurem Gegner nie bleibende Schäden zufügen oder ihn gar umbringen, sonst verletzt ihr die Ehre des Karatekämpfers und des Sportes selbst! Aber nun genug der Worte. Der Kampf möge beginnen…“ Die beiden standen sich auf der grossen weissen Matte gegenüber. Umzingelt von einem Publikum bzw. ihrer Kolleginnen und Kollegen in einer grossen Halle. Unter den Zuschauern befand sich auch Laila, die beste Kollegin von Manuela. Sie beiden waren schon seit Jahren zusammen im Karate und hatten sich lange und auch mit hartem Training auf den heutigen Tag vorbereitet. Denn derjenige, der heute und jetzt seine Gegner bzw. alle Kolleginnen und Kollegen besiegen konnte, würde kommenden Monat in Taiwan an einem grossen Wettkampf mitmachen. Laila drückte Manuela fest die Daumen, als der Kampf zwischen ihr und Robert begann. Beide hatten sich natürlich zuvor noch mit einem Verbeugen traditionell begrüsst, waren dann sofort in Verteidigungsstellung gegangen, bis Robert das Schweigen brach und mit Geschwindigkeit und Wucht auf sie einzudrossen begann. Sie hielt noch lange die Stellung, aber dann liess sie sich von ihm durch einen vorgetäuschten Schlag austricksen und landete nur wenig später auf ihrem Rücken mit seinem Knie auf ihrem Oberkörper, was bedeutete, dass sie die erste Runde verloren hatte. Noch weitere zwei Mal und es würde für sie aus sein. Leider stand tatsächlich das Glück nicht auf ihrer Seite und schon bald musste sie den Kampfplatz als Verlierer verlassen. Grosse Enttäuschtung war auf ihrem Gesicht zu lesen. Doch wurde sie von ihrer Kollegin Laila getröstet…

Die Kämpfe gingen beinahe pausenlos weiter und nachdem Robert bald schon zu den Verlierern gehörte und Vladimir an seine Stelle getreten war, kam dann auch schon der entscheidende Moment für Laila. Sie war an der Reihe und musste gegen Vladimir antreten, der drei Jahre mehr Erfahrung als sie besass. Doch sie war trotzdem alles andere als pessimistisch, was den bevor stehenden Kampf betraf. Wie auch immer, so stand sie schon bald ihrem erfahrenen Kollegen auf der weissen Matte gegenüber und nach der traditionellen Begrüssung begannen sie mit einem spektakulären Kampf. Beide kämpften mit einer Professionalität, die in den vergangenen Kämpfen richtig gefehlt hatte. Ständig griff der Eine wieder die Andere an und sie wehrte ausgezeichnet ab. Dann griff sie mit Händen, Füssen und den Beinen an, er wehrte aber geschickt jeden Angriff ab. Dann kam der Wendepunkt.

Er hechtete wieder richtig gehend auf sie zu und bombardierte sie mit kräftigen Schlägen, die sie allesamt recht gut abwehren konnte, doch dann übersah sie eine Handbewegung und plötzlich schlug seine Faust knallhart auf ihrer Körperfläche auf. Sie war einen Moment verwirrt, doch dann spürte sie plötzlich neue Energie in sich und ehe er sich versah, stürmte sie auf ihn los, attackierte ihn pausenlos bis er schliesslich nach hinten stürzte und Sekunden darauf das Gesicht Laila’s über sich sah. Die erste Runde ging an sie. Ebenso ging es mit der zweiten und der dritten Runde. Sie hatte gesiegt und das war noch nicht alles. Jeder Gegner, der nun vor ihr stand, fürchtete sich mehr und mehr, denn sie brachte ihre Gegner mit immer mehr Schnelligkeit und Genauigkeit zu Boden und schlussendlich applaudierten alle, als sie nominiert wurde, um nach Taiwan zu gehen und den besten Kämpfern der Welt gegenüberzustehen in der „Battle Arena“…


Kaum war dieser Tag vergangen, schon stand sie inmitten eines grossen Publikums im Scheinwerferlicht gegenüber ihrem ersten Gegner. Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Nur Meister Yun Tau sowie ihre Kollegin Manuela sassen gespannt in der ersten Reihe und verfolgten den Kampf, der nun begann. Laila wurde mit jedem Schlag zielsicherer und exakter und brachte ihre Gegner sehr schnell zu Boden. Jeder folgende Kampf wurde interessanter, denn einerseits wurde ihre Kampftechnik von mal zu mal besser und andererseits stand sie immer besseren Gegnern gegenüber. Im Grossen und Ganzen war sie aber nicht die Einzige, die solche Leistungen vollbrachte. Ausser ihr gab es noch gut vier andere Kämpferinnen und Kämpfer, die ihre Rivalen ohne Weiteres besiegten. Eine der anderen Kämpferinnen war allerdings nicht ganz normal, denn immer wenn sie ihre Gegner zu Boden gebracht hatte, liess sie ihnen nicht nur ihre Demütigung, nein, sie tötete sie anschliessend gleich noch. Nun wurde Laila, die den Kampf mitverfolgt hatte, klar, dass es zwei Regeln in diesen Kämpfen gab. Entweder man liess der Ehre willen der Verlierer gedemütigt zurück und liess ihn am Leben oder man legte ihm um. Es ging hier also in gewisser Weise um Leben und Tod…


Nun war Laila wieder an der Reihe. Kurz bevor das Zeichen zum Start des Kampfes gegeben wurde, sah sie, wie Yun Tau und Manuela die Halle verliessen, wahrscheinlich, um sich etwas Verpflegung zu holen. Sie konzentrierte sich wieder auf ihren Gegner und bewies einmal mehr ihr Können. Allerdings als ihr Kampf vorbei war, sie gewonnen hatte und wusste, dass sie nur noch einen Gegner hatte, nämlich diese brutale Kämpferin, begab sie sich zu den Plätzen, wo zuvor ihre Begleiter noch gespannt zugesehen hatten. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass niemand mehr dort sass, obwohl die beiden schon längst wieder hätten zurück sein müssen. Sie suchte wie wild in der ganzen Halle nach ihnen und fand sie dann schliesslich in der Sanitäts-Station. Während Laila’s Kampf waren Yun Tau und Manuela von einem Unbekannten zusammen geschlagen worden. Yun Tau’s Verletzungen waren so schlimm gewesen, dass er gleich verstorben war, nur Manuela hatte überlebt und war sich ziemlich sicher, dass nicht ein Unbekannter, sondern Lin Tanasaki, die brutale Kämpferin, sie so zugerichtet hatte. Das ging nun doch entschieden zu weit.

Dieser Tod würde nicht ungerächt bleiben. Im nächsten Kampf, der auch der letzte war, stand sie Lin Tanasaki gegenüber und kaum hatte der Kampf begonnen, lieferten sie sich einen Kampf auf Leben und Tod. Mit unglaublicher Präzision attackierten sie sich gegenseitig und wehrten auch dementsprechend clever ab. Doch dann wurde Laila auf einmal Fuchsteufelswild und schlug auf ihre Gegnerin ein, als ob sie Karate schon seit zwei Menschenleben perfekt beherrschte. Der Mord an ihrem Meister machte sie fassungslos wütend. Ihr Zorn war gewaltig und so schlug sie ihre Gegnerin erfolgreich in den beiden ersten Runden und fügte ihr schlimme Verletzungen zu. In der alles entscheidenden dritten Runde warf sie ihre Gegnerin zu Boden und legte sie gnadenlos um. Der Sieg war ihr sicher und zudem wurde sie von den Schiedsrichtern zu einer RONIN erklärt, da sie gegen die Ehre des Kampfsportes und der Kämpfer verstossen hatte. Zorn hatte sie soweit gebracht, dass sie bereit war zu töten. Fortan würde nicht mehr Lin Tanasaki als gnadenlos brutale Kämpferin bekannt sein, sondern Laila Hunter, die neue RONIN…

ENDE

Was waren die RONIN in Wirklichkeit?
Im feudalen Japan schützten die Samurai ihre Lehnsherren ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Wurde der Lehnsheer trotzdem getötet, bedeutete das eine grosse Schande für die Samurai. Sie mussten dann durch das Land ziehen und wurden bezahlte Schwertkämpfer oder Banditen. Diese herrenlosen Krieger nannte man nicht mehr Samurai. Sie trugen einen anderen Namen. Solche Männer nannte man…
RONIN

Copyright © 2001(11.01.01) by Chris Etterlen


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