Google und Nasa präsentieren Quantencomputer

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Rechner-Revolution: Google und Nasa präsentieren Quantencomputer

Hinter mehreren Sicherheitsschleusen am Ende eines verwinkelten Ganges im Nasa-Forschungszentrum in Nordkalifornien steht ein unauffälliger schwarzer Kasten, so groß wie ein Gartenhäuschen.

In seinem Inneren herrschen Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, völlige Dunkelheit und totale Stille. Denn nur unter diesen Bedingungen funktioniert die Technik, mit deren Hilfe Google und die Nasa eine neue Computerrevolution einläuten wollen – die des Quantencomputers. Die daraus entstehenden Möglichkeiten seien enorm, glauben die beteiligten Wissenschaftler: Kluge Maschinen, mit denen sich schädliches Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre filtern lässt, Raumflüge zum Mars möglich werden und der Weg zur künstlichen Intelligenz nicht mehr weit scheint.

Bislang war allerdings noch nicht einmal sicher, ob ein Quantencomputer überhaupt existieren kann. Die US-Raumfahrtbehörde und der Internetkonzern haben schon vor zwei Jahren begonnen, ihre Expertise in Datenverarbeitung und Physik zu bündeln, um gemeinsam an der Schnittstelle von Informatik und Quantenmechanik zu forschen.

„Es funktioniert“

Jetzt erst aber stellten Google und Nasa ihre Arbeit der Öffentlichkeit vor. Mit einer klaren Botschaft: „Es funktioniert.“ Die Forscher seien nach vielen Grundlagentests nun bereit, „die nächste Generation von Quantencomputern zu bauen, mit denen echte, schwierige Probleme angegangen werden können“, sagt Hartmut Neven, Leiter des Quantum Artificial Intelligence Laboratory von Google.

Neven stammt aus Aachen und promovierte am Institut für Neuroinformatik der Uni Bochum. Neben seinen Kollegen von der Nasa, im Anzug und mit Seitenscheitel, wirkt der deutsche Ingenieur eher wie ein Kreuzberger Szenewirt, mit abgerocktem schwarzem T-Shirt, silbernen Turnschuhen und zerrissener Jeans. Doch Neven gilt als einer der klügsten Köpfe unter den Google-Wissenschaftlern, schon lange tief abgetaucht in das seltsame, subatomare Reich der Quantenmechanik.

Selbst für die klügsten Wissenschaftler unfassbar kompliziert

Diese Welt ist selbst für die klügsten Wissenschaftler unfassbar kompliziert, weil sie – vereinfacht gesagt – zwei gegensätzliche Zustände gleichzeitig erlaubt: an und aus, ja und nein. Eine Welt, in der eine Katze gleichzeitig tot und lebendig sein kann, so erklärte es der Physiker Erwin Schrödinger in einem berühmten Gedankenexperiment. Bislang glaubten die Experten, es würden noch Jahrzehnte vergehen, bis es einen Computer gibt, der die Gesetze der Quantenmechanik nutzen kann: 0 und 1 zur gleichen Zeit in einem sich überlagernden Zustand.

„Die Natur ist nicht zufrieden, wenn ein Objekt nur in einem einzigen Zustand existiert“, sagt Neven. In der Chemie und der Biologie sei zu beobachten, dass die Welt nur funktionieren kann, weil sie viele sich überschneidende Formen zulässt. Deswegen, so Neven, habe schon einer der Väter der Quantenphysik, Richard Feynman, erkannt, dass ein herkömmlicher Computer die ganze Komplexität der Welt niemals abbilden könne. „Da die Quantenphysik das Betriebssystem der Natur ist, braucht es unweigerlich einen Quantencomputer, um sie zu bedienen“, so Neven. Der Quantenchip sei der einzig natürliche Bewohner des Multiversums, in dem wir leben.

Die Nasa- und Google-Wissenschaftler träumen nun schon von Flugzeugen, die keinen menschlichen Piloten mehr brauchen, oder von klugen Maschinen, die etwa neuartige Batterien konstruieren, die hundertmal länger halten.

Der Kern der Maschine, der eigentliche Quantenchip, ist dabei kaum fingernagelgroß. Er sitzt fast unsichtbar am untersten Ende eines fast zwei Meter langen Gewirrs aus Kabeln, Metallplatten und Konduktoren. Sehr vereinfacht dargestellt funktioniert der Prozessor so: Im Zentrum steht das Quantum-Bit (Qubit). Qubits können Zustände annehmen, die einer Mischung aus an und aus entsprechen. Wenn nun mehrere Qubits auch noch miteinander verschränkt werden, lässt sich damit schnell eine unglaublich hohe Zahl von Werten gleichzeitig messen – und damit theoretisch viel komplexere Probleme lösen als heute selbst mit den größten Supercomputern.

„Wir stehen noch ganz am Anfang“

Den Chip haben die Nasa und Google jedoch nicht selbst entwickelt, sondern von einer kanadischen Firma namens D-Wave gekauft, finanziert unter anderem von Amazon-Gründer Jeff Bezos und einer Investmentfirma, hinter der sich die CIA verbirgt, arbeitet D-Wave schon über zehn Jahre an der Entwicklung eines Quantencomputers.

Die Skepsis war dabei lange groß. Heiße Luft fabriziere das Unternehmen, kritisierten manche Physiker. Schnell sei der Prozessor vielleicht, aber nur durch Trickserei und herkömmliche Technik, nicht Quantenmechanik, warnten Computerwissenschaftler. Die anhaltende Kritik kommt nicht zuletzt daher, dass Quanteneigenschaften experimentell nur schwer nachvollziehbar sind. Google und die Nasa sind aber nun überzeugt, genügend Beweise zusammengetragen zu haben, die auch veröffentlicht werden. Unter bestimmten Laborbedingungen rechne der Quantencomputer 100 Millionen Mal schneller als ein herkömmlich binärer.

„Wir stehen noch ganz am Anfang“, vergleichbar etwa mit dem Stand der Entwicklung bei heute üblichen Computern vor 50 Jahren, sagt Rupak Biswas, der die Abteilung für Supercomputing der Nasa leitet. Noch sei man an den Punkt, wo man „A“ eintippt und hofft, dass nicht „B“ erscheint. „Aber wenn sich alles so entwickelt, wie wir erwarten, wird das die Welt revolutionieren“, so Biswas.

Google will sich allerdings nicht mehr allein auf die D-Wave-Maschine verlassen: Der Konzern hat bereits begonnen, Physiker und Hardware-Spezialisten einzustellen – um einen eigenen „noch besseren“ Quantencomputer zu bauen, sagt Neven. Denn früher oder später „wird der Quantencomputer das Instrument der Wahl sein, um alle großen Fragen zu beantworten“.

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