Dunkle Zeiten

Schon lange vor unserer Zeit hatte die Menschheit damit begonnen weniger Sorge zum Planeten Erde zu tragen. Im Laufe Der Zeit prognostizierten Wissenschaftler eine enorme globale Erwärmung, das Schmelzen des Polareises und Schlimmeres. Verhandlungen mit vielen Ländern wurden geführt, um die Treibhausgas-Abgabe zu vermindern, doch wahrten sie das Problem nur mit Ignoranz…

Im Laufe des 21. Jahrhunderts kam es auf der ganzen Welt zu immer schlimmeren Umweltkatastrophen. 2020 fegte ein starker Orkan begleitet von Blitz und Donner durch Teile Europas. Er hinterliess eine grausame Verwüstung. Landstriche mussten evakuiert werden. Jahre später traf es andere Teile Europas mit einer unvorstellbaren Überschwemmung, nachdem es wochenlang und ergiebig und ununterbrochen geregnet hatte. Ähnliches ereignete sich in Amerika in Form von Tornados, die so gewaltig waren, dass die Messgeräte keine Daten mehr liefern konnten. Tosende Wirbelstürme suchten Florida in immer kürzeren Zeitabständen heim, was zur Folge hatte, dass in Florida keine Menschen mehr leben konnten. Afrika und Australien erlebten die schlimmsten Dürreepochen seit Jahrhunderten. Darauf folgte eine Hungersnot, die so gross war, dass sämtliche Hilfsorganisationen überfordert waren. Der aufsteigende Meeresspiegel verschlang unzählige Inselparadiese wie Hawaii und Küstenregionen auf der ganzen Welt wurden unbewohnbar.

2110 gab es nur noch wenige Länder, die bisher fast verschont geblieben waren. Eines dieser Länder hatte eine der grössten Bevölkerungsdichten der Erde. Im Jahre 2050 schrieb China Geschichte mit dem „Drei-Schluchten-Damm“, dem grössten Staudamm der Erde. Er war 2.3km breit und 175 Meter hoch. Er besass 26 Turbinen und Generatoren, die soviel Strom erzeugten wie 18 Atomkraftwerke. Der dahinter liegende Stausee war 600km lang und zuvor mussten 1 Million Menschen umgesiedelt werden, um dem Stausee Platz zu machen.
Im Jahre 2110 ergaben Untersuchungen von Experten eine erschreckende Wahrheit preis. Bei der Konstruktion des Staudamm-Giganten waren Zahlen verwechselt worden und würde es zu wochenlangem Regen kommen, dann würde der Staudamm die Wassermassen nicht mehr halten können, er würde brechen und ein Grossteil Chinas würde überflutet.

Drei Jahre später wurde Miccael Ushkin, einer der Mitkonstrukteure des Staudammes, aus Moskau nach Sandouping geholt, da es allmählich Probleme mit dem Giganten gab. Er reiste über Shanghai nach Wohan mit dem Zug. Dort wurde er abgeholt von einem Auto, das ihn direkt nach Sandouping brachte. Schon seit er China betreten hatte, regnete es ununterbrochen und stark. An den Strassenrändern sammelte sich das Wasser so stark, dass die Abflüsse überfordert waren und kleine strömende Bäche dem Strassenrand lang flossen. Die Scheibenwischer des Autos mochten dem Wolkenbruch beinahe nicht Stand halten. Wie Ushkin von den Nachrichten erfahren hatte, regnete es in China nun schon seit Wochen. Ein Ende der Regenfälle war nicht in Sicht und genau da lag im Prinzip auch schon das Problem…

In Sandouping wurde er bereits erwartet von anderen Experten, die allerdings schon früher als er beim „Drei-Schluchten-Damm“ angekommen waren und die sehr beunruhigt waren. Kaum war Ushkin im Sitzungszimmer der Projektbehörde „Three Gorges Project Development Corporation“ (TGDC) angekommen, begann einer der anwesenden Experten mit dem Vortragen der aktuellen Fakten: Mr. Ushkin, ich heisse Sie im Namen des TGDC herzlich willkommen. Gut, dass Sie so schnell kommen konnten.“ „Keine Ursache.“ „Wie Sie sicher schon mitbekommen haben, haben wir es hier mit einer äusserst prekären Lage zutun. Seit Wochen regnet es ununterbrochen und der Spiegel des Yangtse Kiang Stausees ist stark angestiegen. Die Hochwassergrenze von 180 Metern bei einer normalen Tiefe von 175 Metern wurde schon vor Wochen überschritten. Bei den täglichen Routinekontrollen wurde festgestellt, dass der Staudamm beginnt an einigen Stellen instabil zu werden. Daraufhin wurden sämtliche Schleusentore ganz geöffnet, um den starken Wasseranstieg zu kompensieren. Doch dauerte es nicht lange, hat der Stausee das Limit schon wieder überschritten. Weiter flussabwärts trat der Yangtse Kiang bereits an mehreren Stellen über die Ufer und hat Dörfer überflutet. Die Evakuierung ist voll im Gange. Da der Fluss aber immer eine stärkere Fliessgeschwindigkeit bekommt, sind die Rettungseinsätze Einiges schwieriger geworden. Man kommt nicht so schnell voran, wie man gerne hätte.“ Ushkin verschrenkte die Arme vor der Brust: „Gemäss meinen Angaben hält der Damm den Druck bis zu einer Wasserpegelhöhe von 210 Metern. Wie hoch ist der Stausee momentan?“ „200 Meter, Mr. Ushkin“, erklärte der Experte. Auf den Gesichtern der anderen Experten spiegelte sich unsicherheit und Angst. Doch Ushkin wollte noch mehr wissen: „Wie schnell ist er die letzten 20 Meter angestiegen?“ „Er brauchte nur eine Woche, Mr. Ushkin!“, fügte der Experte noch hinzu. Ushkin überlegte nicht lange und erklärte dann, dass er unbedingt zum Staudamm müsse und über alle Überwachungsposten in Kenntnis gesetzt werden wollte. Bevor sie jedoch aufbrachen, beschlossen sie, dass die Armee eingesetzt werden musste, um dem Fluss entlang, unterhalb des Staudammes, so schnell wie möglich Schutzdämme aufzubauen und weiterhin die Bevölkerung zu evakuieren. Sie beschlossen auch, sich an Nachbarländer zu wenden, um Unterstützung für die Armee und die Evakuierung zu bekommen. Würde dieser Staudamm brechen, dann würden 2 Millionen Chinesen in den tosenden Wassermassen ums Leben kommen. Undenkbar…

Stunden darauf befand sich die gesamte Expertengruppe auf einem Rundgang durch alle Kontrollposten des Staudammes. Schnell wurde klar, dass die Lage keineswegs unterschätzt werden durfte. Dieses gigantische Bauwerk stellte ein enormes Risiko für die Bevölkerung dar und würde es weiterhin so regnen und die Evakuierungen zu langsam fortschreiten, würde die ganze Angelegenheit in einer Katastrophe enden. Leider waren sie die Experten sehr bald schon im Klaren darüber, dass sie absolut machtlos gegen die momentane Situation waren. Der Staudamm hielt daraufhin nur noch wenige Tage und dann geschah das Unfassbare. Unaufhaltsam und unkontrolliert. Die Risse im Staudamm waren so gross geworden, dass immer mehr Wasser durch den Giganten strömte. Miccael Ushkin war als Einziger auf dem Staudamm zurückgeblieben und hatte mit seinen technischen Kenntnissen und seinem Sinn für katastrophale Lagen versucht, das Schlimmste zu verhindern. Doch nun sass er schweigend und mit starrem Blick auf die Kontrollmonitore im zentralen Überwachungsposten. Das Surren der Alarmglocke hörte er schon seit Stunden nicht mehr. Ebenso das Rotlicht, das blinkend sämtliche Gänge im Sekundentakt flutete. Es war zu spät…
Zuerst dachte er, es wäre nur Einbildung. Dann wurde ihm klar, dass er das Wasser bereits hörte, wie es seinen Weg bahnte und zu ihm kam. Er würde mit dem Meisterstück der Infrastruktur zusammen in den Fluten untergehen. Er merkte es schon gar nicht mehr als die Türe aufgesprengt wurde, das tosende Wasser eindrang und ihn in den Tod riss… Der ganze Damm brach und Unmengen von Wasser strömten flussabwärts. Innerhalb weniger Stunden und Tagen war halb China in den Fluten untergegangen…

Eines Morgens ging die Sonne am Horizont auf und spiegelte sich im Wasser des Yangtse Kiang, der sich nun enorm ausgebreitet hatte.

Die Menschheit begann in den darauffolgenden Jahren zu verstehen, dass es an der Zeit war, umzudenken.

ENDE

Copyright © 2001(15.02.01) by Chris Etterlen


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